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Gefahr einer Ansteckung mit COVID-19 als Grund für die Verweigerung der Rückführung eines Kindes

Die Gefahr einer Ansteckung mit COVID-19 als Grund für die Verweigerung der Rückführung eines Kindes gemäß dem Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. Oktober 1980 (Haager Übereinkommen)

I. Sachverhalt

Bei den Parteien handelt es sich um ein Ehepaar deutscher Staatsangehöriger mit gewöhnlichem Aufenthalt in Spanien und einer gemeinsamen Tochter, die zum Zeitpunkt der Ereignisse 6 Jahre alt war. Die Mutter - die Beklagte - zog im August 2019 mit der minderjährigen Tochter von Spanien nach Deutschland. Der Vater beatragte vor dem Familiengericht Hamm (Spezialzuständigkeit) die Rückführung des Kindes auf der Grundlage der Haager Konvention. Im Rahmen eines gerichtlichen Vergleiches einigten sich die Parteien im Januar 2020 darauf, dass die Mutter mit dem Kind nach Spanien zurückkehren wird. Die Mutter lehnte aufgrund der durch die Pandemie COVID 19 ausgelösten Gesundheits- und Wirtschaftskrise die Rückführung mit dem gemeinsamen Kind der Parteien ab und berief sich auf die Gefährdung des Kindeswohls. Daraufhin leitete der Vater erneut ein Rückführungsverfahren vor dem Gericht in Hamm ein. In erster Instanz ordnete das Familiengericht Hamm die Rückgabe des Kindes im Juli 2020 an. Die Mutter legte gegen das Urteil Beschwerde ein. Im August 2020 wies das Oberlandesgericht Hamm (OLG Hamm) die Beschwerde der Mutter zurück und bestätigte die Rückführungsanordnung des Kindes.

II. Bewertung

Nach Artikel 13 b) des Haager Übereinkommens ist das Gericht nicht verpflichtet, die Rückgabe des Kindes anzuordnen, wenn die ernste Gefahr besteht, dass die Rückgabe des Kindes es physischen oder psychischen Gefahren aussetzt oder es anderweitig in eine unzumutbare Lage bringt.

Die Antragsgegnerin argumentierte auf der Grundlage von Artikel 13 b) des Haager Übereinkommens, dass in Spanien - August 2020 - aufgrund der hohen Zahl der durch Covid 19 verursachten Infektionen eine Gefahrensituation für das Kind bestehe, zumal das Robert-Koch-Institut von nicht unbedingt notwendigen Reisen nach Spanien abgeraten habe. Darüber hinaus war die Mutter der Ansicht, dass die aus der Gesundheitssituation resultierende wirtschaftliche Situation sie daran hindern würde, in Spanien eine Arbeit zu finden, um ihre Ausgaben und die des Kindes zu tragen.

Die deutsche Rechtsprechung verlangt, dass die für die Verweigerung der Rückkehr geltend gemachte Gefahr durch eine restriktive Auslegung der Bestimmung ernst, aktuell und konkret sein muss. Sie geht davon aus, dass sowohl Entführung als auch Rückkehr zu einer Verschlechterung des Kindeswohls führen können. Die Unterscheidung zwischen kindlicher Kindeswohlbeeinträchtigung und kindlicher Kindeswohlgefährdung ist in der Praxis nicht immer leicht zu treffen.

In seinem Beschluss vom 28. August 2020 vertritt das OLG Hamm die Auffassung, dass die Gefahr einer Ansteckung mit COVID-19 oder eine gesundheitliche und/oder wirtschaftliche Notlage keine Gefahr im Sinne von Artikel 13 Buchstabe b des Haager Übereinkommens darstellt. Die konkrete Ansteckungsgefahr auf den Balearen ist nach Ansicht des Gerichts zum Entscheidungszeitpunkt relativ gering, in einigen Städten Deutschlands wird diese Rate überschritten, ohne dass in Frage gestellt wird, ob die Kinder mit ihren Eltern leben.

Somit scheinen derzeit weder die individuelle Ansteckungsgefahr noch die wirtschaftliche oder gesundheitliche Situation, die durch den Covid-19 hervorgerufen wird, ein Grund zu sein, die Rückgabe eines Kindes nach der Haager Übereinkommen abzulehnen.


Carmen López Salaver

Rechtsanwalt und Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familien- und Erbrecht



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